Wärmepumpen und Stromknappheit

Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge und eine drohende Verknappung des elektrischen Stroms. Muss die geplante Dekarbonisierung verschoben werden, oder sind die düsteren Prognosen doch nicht so ernst wie sie sich anhören? Die Fachtagung der FWS in Spreitenbach lockte auch diesmal zahlreiche Fachleute in die Umweltarena.

Die hohe Nachfrage nach Wärmepumpen ist ungebrochen und die Bestellungseingänge deuten eher auf einen Stromüberschuss hin. Mit der hohen Nachfrage verlängern sich auch die Wartezeiten. Die Hersteller sind gefordert und setzen alles daran, die Produktionskapazitäten zu erhöhen. Aus wirtschaftlicher Sicht soweit positive Signale.

Die Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz FWS bezweckt seit Jahren die Förderung sowie Verbreitung der Wärmepumpenanwendung in Systemen der Heizung und Kühlung sowie Energierückgewinnung. Stephan Peterhans, Geschäftsführer FWS, und Marc Bätschmann, Projektleiter FWS, moderierten souverän und sympathisch den gefragten Anlass mit zahlreichen interessanten Fachvorträgen. Erstmals konnte die FWS-Tagung auch online verfolgt werden.

Best Practice Projekte

David Zogg, Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz NW, stellte in seinem Referat realisierte Energiesysteme Gebäude und Energie vor. In diesem Zusammenhang wurden diverse Installationen mit Eigenverbrauchsoptimierung ausgewertet und das Verhältnis des Eigenverbrauchsanteils zum Autarkiegrad aufgezeichnet. Die monatlichen Energie-Werte über ein ganzes Jahr, zeigten beispielsweise in einem Areal in Möriken AG eine gute Optimierung in den Übergangszeiten. Durch den Produktions-Überschuss im Sommer konnte die Elektromobilität ausgebaut werden. Im Winter wurde der Strom über das Netz bezogen. Eine Batterie würde in diesem Objekt keine Vorteile bieten, da kein Überschuss produziert wurde. Insgesamt wurden nur 1200 kWh Netzbezug pro Person und Jahr notwendig, was energetisch und wirtschaftlich sehr interessant ist.

Abschliessend hielt Zogg fest, dass eine frühzeitige Planung unter Einbezug aller Beteiligten  zwingend notwendig ist. Weiter sollten die PV-Wärmepumpen-Planungsgrundlagen bei allen Installationen beachtet werden, damit die Systeme optimal abgestimmt werden können. Denn eine richtige Einstellung der Systeme ist entscheidend. Die Optimierung PV-WP hat in den Übergangszeiten das höchste Potential Im Winter hingegen ist ein effizientes System, welches die Komponenten Gebäude, Wärmepumpe und Regelung beinhaltet, entscheidend.

David Zogg wies noch darauf hin, dass während der Sommermonate der Überschuss nicht mit Elektro-Einsätzen «verbraten» werden darf, sondern sinnvoll genutzt werden soll. Das Laden von Elektromobilen oder die Rückspeisung ins Netz sind da optimaler. Ein laufendes Monitoring und Optimierung des Systems während dem Betrieb sind erforderlich.

Das Auto wird zum elektrischen Speicher

Diese interessante Technik wurde von Hans Fischer, Mitinhaber der Solar Manager AG, dem interessierten Publikum aufgezeigt. Aktuelle Elektroautos haben meistens einen Akku von mehr als 50 kWh und sind so, ohne nachzuladen, in der Lage, über eine Woche hinweg die durchschnittliche Reichweite eines Schweizers von rund 40 km pro Tag abzudecken (5 Tage à 40 km ergibt total 200 km; bei 18 kWh / 100 km resultiert ein Verbrauch von 36 kWh).

Wer mit einem VW ID.4 oder vergleichbarem Fahrzeug mit 77kWh Akku jeden Tag überdurchschnittliche 100 km pendelt, könnte die Arbeitswoche problemlos meistern mit nur 3 kWh nachladen pro Tag (bei einem Verbrauch von ca. 18 kWh / 100 km). Diese Energie dürfte man oftmals nach Feierabend noch aus der PV-Anlage laden können.

Der durchschnittliche Nachtverbrauch eines Einfamilienhauses mit Wärmepumpe beträgt heutzutage zwischen 5 und 15 Kilowattstunden. Das Laden und Entladen aus dem Elektroauto kann so angepasst werden, dass dieser Nachtverbrauch aus dem Auto bezogen werden kann. Bis zu welchem Ladestand die Energie des Autos dem Haus zur Verfügung gestellt werden soll, kann individuell definiert und eingestellt werden. Um sich das Potential vor Augen zu führen, können folgende Dimensionen helfen, erklärte Fischer weiter. Die gängigen Fahrzeug Akkus sind bis zu 5x grösser als der in einem Einfamilienhaus durchschnittlich eingesetzte Hausspeicher von 10 bis 15 kWh. Da die Ressourcen für die Herstellung eines Fahrzeug-Akkus sehr hoch sind und der grosse Akku typischerweise durchschnittlich nur einmal im Monat durch eine lange Fahrt vollständig gebraucht wird, ist es umso nachhaltiger, den Akku in zweifacher Hinsicht zu nutzen. Kompatible Fahrzeuge für diese Technologie sind heute auf einige wenige Hersteller beschränkt.

Projektübersicht FWS

Marc Bätschmann, Projektleiter FWS, präsentierte eine Projektübersicht «Energiesystem Gebäude & Mobilität» Das Energiesystem Gebäude liefert Heizwärme und Strom für den Haushalt und Mobilität für die Bewohner. Es entstehen vernetzte, intelligente, dezentrale und vom Stromnetz weitgehend – aber nicht vollständig – unabhängige Systeme, die betriebssicher und stabil sein müssen. Strom soll rasch fossile Energieträger ersetzen, Mobiles wie auch Immobiles wird elektrifiziert. Das landesweite Stromnetz wird dabei zum Nadelöhr. Um das Netz zu entlasten, entwickeln sich Gebäude durch die Produktion von Strom mit Photovoltaik auf Dächern und Fassaden vom Konsumenten zu Prosumenten.

Für die koordinierte Vernetzung hat der Verband die Initiative «Energiesystem Gebäude & Mobilität» geschaffen. Mit der Initiative möchte die FWS die Anspruchsgruppen Öffentlichkeit, Gesetzgeber, Bauherrschaften und Fachleute durch offene, transparente Kommunikation über die Mehrwerte, die durch solche Gesamtsysteme entstehen, informieren und allfällig bestehende Vorurteile abbauen. Weiter sollen gemeinsames Wissen aufbaut und bereits existierendes Wissen verbreiten. Das Know-how der FWS und deren Netzwerke gemeinsam nutzen und so unsere Kräfte bündeln, damit unserem Anliegen möglichst viel Gehör verschafft werden kann. Best-Practice-Beispiele sollen eruiert, aufbereitet und darüber berichten werden.

Liefersituation Wärmepumpen

Bedingt durch die stark gestiegene Nachfrage in den europäischen Märkten nach Wärmepumpen und der bestehenden Lieferengpässen verschiedener Komponenten entstehen immer wieder ungewohnt lange Lieferzeiten. Über die aktuelle Liefersituation im In- und Ausland berichtete Markus Giger, Geschäftsführer AIT Schweiz, dem Fachpublikum.

Das Wachstum soll gemäss Schätzung von 2022 auf 2023 ca. 15- bis 20 Prozent betragen. Für dieses Jahr werden von Herstellern und Lieferanten rund 40’000 bestellte Wärmepumpen prognostiziert. Den grössten Marktanteil sollen die Sanierungen haben. Weiter berichtete Markus Giger, dass in einem benachbarten Industriegebiet vom Hauptsitz der AIT Deutschland, mit dem Bau eines zusätzlichen Produktionsstandortes begonnen wurde. Durch das neue Werk soll die Produktionskapazität verdoppelt und rund 400 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist eine sehr positive Nachricht. Gemäss Giger werden von den Wärmepumpen-Herstellern Jahreskontingente auf die verschiedenen Märkte verteilt. Was man von Klimageräten her kennt, ist bei Wärmepumpen ein Novum. Auf die Entwicklung des WP-Marktes kann man jedoch gespannt sein.

Herausforderung Versorgungssicherheit

Das Abschlussreferat hielt Kristin Brockhaus, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE zum brandaktuellen Thema «Strommangellage». Im Unterschied zu einem Stromausfall (Blackout) ist Strom in einer Strommangellage verfügbar, allerdings in reduziertem Mass. In einer Strommangellage übersteigt die Nachfrage nach elektrischer Energie wegen zu geringen Produktions- und Importkapazitäten während mehrerer Tage, Wochen oder Monate das zur Verfügung stehende Angebot. Wie sieht es nun in der Schweiz aus?

Gemäss Kristin Brockhaus ist das Risiko einer Stromknappheit gross und real. In Europa bestehen grosse Abhängigkeiten und Risiken. Zudem herrscht eine grosse Unsicherheit bezüglich Stromproduktion in der EU. Die Schweiz ist im Winterhalbjahr Nettoimporteurin und im Sommer Nettoexporteurin. Aus versorgungstechnischer Sicht befindet sich die Schweiz in der Importphase und es gilt alles daran zu setzen, dass eine Strommangellage verhindert werden kann.

Der Bund hat bereits erste Massnahmen zur Verhinderung einer Mangellage beschlossen:

  • Die Einführung von Wasserkraftreserve und von Reservekraftwerken (Öl/Gas) bereits für den Winter 2022/23.
  • Lancierung der Winter-Energiesparinitiative Ende August (WESPI, 31.8.2022)
  • Temporäre Spannungserhöhung (Bickingen-Chippis; Bassecourt-Mühleberg) von 220 kV auf 380 kV.
  • Temporäre Senkung der Restwassermenge, damit mehr Wasser für die Stromproduktion zur Verfügung steht.

Der Umgang mit elektrischem Strom geht uns alle an, und nur gemeinsam lässt sich verhindern, dass eine Strommangellage eintreffen kann.

Stephan Peterhans übernahm das Schlusswort zu diesem spannenden Tag und verabschiedete die Gäste, die mit einem üppigen Strauss von Informationen den Heimweg antreten konnten.

www.fws.ch/energiesystem-gebaeude-mobilitaet